Verfahren wegen Bildung krimineller Vereinigung
gegen Unterstützer:innen der Letzten Generation
Mirjam Herrmann und Henning Jeschke liefern die Stellungnahmen bei der
Staatsanwaltschaft Neuruppuin ab (c) Letzte Generation
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Neuruppin, 28.03.2024, 9:45 – „Fassungslos“, „entsetzt“, „empört“, „beschämt“, „schockiert“ – so umschreiben über 2000 Menschen ihre Reaktion auf die mögliche Anklage von 5 Unterstützer:innen der Letzten Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die Staatsanwaltschaft Neuruppin. Sie alle sind dem Aufruf des Bündnisses Menschen gegen Öl gefolgt und haben Stellungnahmen verfasst, in denen sie die Staatsanwaltschaft auffordern, von einer Anklage abzusehen. (nachzulesen hier)
Allein der Gedanke, Anklage gegen friedlich protestierende Klimaaktivist:innen zu erheben, sei „absurd“, „unangebracht“, „überzogen“, „demokratiezersetzend“, „ein Skandal“.
Heute endet die Frist, in der die Anwält:innen der 5 Beschuldigten zur möglichen Anklage Stellung nehmen können. Im Zuge der Kampagne Menschen gegen Öl war die Zivilgesellschaft aufgerufen, innerhalb dieser Frist ebenfalls Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. [1]
Zwei der Beschuldigten – Mirjam Herrmann und Henning Jeschke – lieferten einen Großteil der über 2000 eingegangenen Stellungnahmen, mit dem Aktenzeichen versehen und in nummerierte Ordner geheftet, heute in einem Bollerwagen in Neuruppin ab. Weitere Stellungnahmen werden die Staatsanwaltschaft heute noch per Mail oder Fax errreichen.
Nach einer formellen Beschwerde an Michel Forst, UN-Sonderberichterstatter für Klimaschützer:innen, hat auch er zugesagt, aufgrund seines Mandats unter der Aarhus-Konvention tätig zu werden, indem er sich an die Staatsanwaltschaft Neuruppin wendet. In ihrer Beschwerde hatten die 5 Beschuldigten der Staatsanwaltschaft Neuruppin und dem Justizministerium Brandenburg vorgeworfen, das Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verstoße gegen Grund- und Menschenrechte und gegen die Aarhus-Konvention.
Unter den Verfasser:innen der Stellungnahmen sind Rechtswissenschaftler:innen und Lehrer:innen, Doktor:innen der Physik, Biologie, Medizin und Sozialwissenschaften, Handwerker:innen und Ingenieur:innen, Schüler:innen und Rentner:innen.
Aber auch Unternehmen wie die GLS Bank oder der Mobilfunkanbieter WEtell, die Stromanbieter EWS, Naturstrom und Green Planet Energy sowie Vertreter:innen zahlreicher Organisationen und Vereine wie Amnesty International, Greenpeace und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) haben Stellung bezogen.
Auch Personen des öffentlichen Lebens äußerten sich zum Verfahren, darunter die Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke, der Kleinkünstler und Autor Marc-Uwe Kling, die Kabarettistin Anny Hartmann, die Aktivistin und Politikerin Carola Rackete sowie Heinrich Stößenreuther, Mitbegründer der KlimaUnion.
Neben zahlreichen juristischen Ausführungen setzt sich vor allem ein Standpunkt durch: Demokratie braucht eine aktive Zivilgesellschaft und Protest – auch wenn er stört. Die Ermittlungen im 129er-Verfahren sorgen für eine Assoziation von friedlichem Klimaprotest mit organisierter Kriminalität und schrecken Menschen davon ab, von ihrem Recht auf Protest und Meinungskundgabe Gebrauch zu machen.
Diese Art der Grundrechtseinschränkung sägt an den Säulen unserer Demokratie und ist, gerade in Zeiten sich überschlagender Krisen, brandgefährlich.
Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft sowohl den Aufschrei aus der Bevölkerung als auch eine Mahnung seitens der UN ernst nimmt und von einer Anklage absieht.
Letztlich ist es in unser aller Interesse, die Werte und Grundsätze einer lebendigen Demokratie hochzuhalten, um gegen aktuelle und künftige Krisen gewappnet zu sein.
Oder in den Worten von Marc-Uwe Kling: „Den Boten zu bestrafen, der die Nachricht einer aufziehenden Katastrophe bringt, ist eine todsichere Strategie, eben jene Katastrophe zu besiegeln.“
[1] Pressemitteilungen | Menschen gegen Öl (menschengegenoel.org)