Richterlich bestätigt: Beschleunigte Verfahren verfassungswidrig

Berlin, 19.02.2024, 7:30 Uhr – Wie vor einer Woche angekündigt, blieben  Unterstützer:innen der Letzten Generation in der vergangenen Woche von insgesamt 15 beschleunigten Verfahren fern. (Pressemitteilung der letzten Woche hierzu: letztegeneration.org/pm/anklagebank-bleibt-leer/ )
Die Bilanz vom Boykott der beschleunigten Verfahren spricht für sich: in keinem der Verfahren kam es zur Verhandlung. Stattdessen hat das Gericht in Abwesenheit der Angeklagten einen Strafbefehl erlassen, gegen den sie nun Einspruch einlegen werden. Hierdurch erwartet sie ein reguläres Gerichtsverfahren mit allen prozessualen Möglichkeiten.

Irma Trommer ist eine der Unterstützer:innen der Letzten Generation, die in der vergangenen Woche nicht zu ihrem Termin erschienen sind. Sie erklärt: “Natürlich bin ich bereit, mit Namen und Gesicht zu meinem Protest zu stehen und die Konsequenzen meines Handels in Kauf zu nehmen. Die beschleunigten Verfahren ermöglichen jedoch keine fairen Bedingungen und sind einer Demokratie unwürdig. Gegen den Strafbefehl werde ich nun Einspruch einlegen und selbstverständlich zu dem sich anschließenden Gerichtsprozess erscheinen.”

Der Boykott der beschleunigten Verfahren kann somit gewissermaßen als Erfolg gewertet werden. Allerdings ist dieser Erfolg nicht endgültig – für diese Woche sind erneut mindestens 15 beschleunigte Verfahren am Amtsgericht Tiergarten terminiert. 

Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune, Geschäftsführer vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. und Rechtsanwalt, übt hieran deutliche Kritik: „Die Staatsanwaltschaft Berlin täte gut daran, sich nicht dem politischen Druck zu beugen, sondern nach wie vor unabhängig die gewissenhafte Aufklärung des Sachverhaltes zu betreiben. Beschleunigte Verfahren eignen sich dafür nicht.“

Kritik über das Vorgehen der Berliner Staatsanwaltschaft kommt inzwischen auch aus dem Gericht selbst. In der heutigen Pressemitteilung vom Verein Rückendeckung für eine Aktive Zivilgesellschaft (RAZ) e.V.i.G., der die Verfahren der Letzten Generation betreut, erklärt RAZ: “Mit Beschluss vom 31.01.2024, der RAZ e.V.i.G. seit letzter Woche vorliegt, stellt eine Richterin am Amtsgericht Tiergarten fest, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Berlin verfassungswidrig ist.” 

RAZ e.V.i.G. begrüßt diese Entscheidung ausdrücklich und führt in dem Artikel  RAZ – Vorgehen der Staatsanwaltschaft verfassungswidrig – AG Tiergarten lehnt beschleunigte Verfahren mit Beschluss ab, Februar 2024 (raz-ev.org) weitere Hintergründe zu Entwicklung der Verfahren, sowie dem RAZ vorliegenden Beschluss der Richterin aus. 

“Die Berliner Justiz sollte durch den Beschluss angehalten werden, die endgültige Niederlage hinzunehmen und einen Schlussstrich unter die unselige Geschichte der beschleunigten Verfahren zu ziehen, bevor noch mehr Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Berliner Justiz verloren geht.“, so RAZ e.V.i.G. in seiner Stellungnahme. 

Bis es soweit ist, wird der Boykott der verfassungswidrigen Taktik fortgesetzt. Auch in dieser Woche werden Unterstützer:innen der Letzten Generation nicht zu den beschleunigten Verfahren erscheinen.