Erneute Verfassungsbeschwerde gegen Kriminalisierung von Klima-Sitzblockaden

Weitere Letzte-Generations-Aktivistin zieht vor das Bundesverfassungsgericht

Susanne Brelowski (rechts) an einem Infostand der Letzten Generation.

Berlin/Karlsruhe, 02. Oktober 2024 – Am 30. September 2024 erhob Susanne Brelowski gemeinsam mit ihren Anwälten, Matthias Schuster und Robert Brockhaus, sowie dem RAZ e.V. Verfassungsbeschwerde gegen die strafrechtliche Verurteilung wegen einer friedlichen Sitzblockade mit der Letzten Generation. Der Green Legal Impact unterstützte in der juristischen Ausarbeitung.
Im September 2023 nahm Beschwerdeführerin Susanne Brelowski an einer Sitzblockade in Berlin teil. Die Gerichte verurteilten sie folglich wegen Nötigung in Mittäterschaft (§§ 240, 25 Abs. 2 StGB). Es ist bereits die Zweite Verfassungsbeschwerde in kürzester Zeit, die sich der Delegitimierung friedlichen Klimaaktivismus entgegenstellt: Erst vor sechs Wochen, am 14. August, erhob Irma Trommer gemeinsam mit ihrem Anwalt Lukas Theune und dem RAZ e.V. Verfassungsbeschwerde in ähnlichem Kontext.

Susanne Brelowski (59)*, Physiotherapeutin aus Berlin, zu ihrer Entscheidung, bis nach Karlsruhe vor Gericht zu ziehen: „Die Straßenproteste stehen für mich in einer demokratischen Tradition: „Der ‚Brokdorf-Beschluss‘ des Bundesverfassungsgerichtes von 1985 ermöglicht den sogenannten kleinen Leuten, sich über das Recht auf Versammlungsfreiheit und Sitzblockaden zu äußern.“

In Falle der aktuellen Beschwerde liegt der Fokus auf dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Inhaltlich geht es außerdem um die Grundrechtsausübung in Zeiten der Klimakatastrophe und um eine Bewertung der Verurteilung nach der „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“. Die Sanktionierung von Sitzblockaden durch die bisherige Rechtsprechung schränkt die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig ein. Auch da bei Verurteilungen friedliche Straßenblockaden als Gewalt eingestuft werden, sind diese im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG äußerst umstritten.

Trotz dieser Streitigkeiten konnte in den vergangenen Monaten eine Verschärfung der Urteile gegen Klimaaktivist*innen in Deutschland beobachtet werden. Dazu erläuter Ronen Steinke, Journalist und Jurist, in einem Podcast zur Verfassungsbeschwerde im August:
„Das ist eine Härte, die hätte man sich vor 2 Jahren nicht träumen lassen. Da hat sich etwas extrem zugespitzt. Es gibt nicht wenige in der Justiz, die wollen jetzt so lange auf die Pauke hauen, so lange auf schärfere Strafen drängen, bis die Aktivisten und Aktivistinnen klein beigeben“

Die vom RAZ e.V. koordinierten Verfassungsbeschwerden sind nicht zuletzt Reaktion auf diesen Trend immer weiter auseinanderdriftender und unverhältnismäßig harter Urteile. Viel wichtiger ist jedoch: Eine Strafbarkeit von Sitzblockaden ist keineswegs zwingend, wie ein Blick ins Ausland zeigt, wo z.B. in Österreich in der Handlung der Blockade keine Gewaltausübung gesehen wird.

Sitzblockaden spielen eine zentrale Rolle im Klimaaktivismus, indem sie durch gewaltfreie Störungen des gewohnten Alltags die öffentliche Aufmerksamkeit auf die drohenden Gefahren der Klimakatastrophe lenken. Ziviler Ungehorsam in dieser Form ist ein entscheidendes Mittel, um die Dringlichkeit des Handelns zu verdeutlichen. Doch anstatt auf die Alarmrufe der Aktivist*innen zu reagieren, setzen staatliche Institutionen auf Strafverfolgung, was die Legitimität der friedlichen Proteste in Frage stellt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Chance, ein klares Signal für den Schutz der Versammlungsfreiheit und die Bedeutung der verfassungsrechtlich verankerten Klimaschutzpflichten des Staates zu setzen.

* Informationen zu Susanne Brelowski sowie ihre persönliche Begründung zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde sind der Pressemitteilung angehängt.