„Auch eingesperrt fühle ich mich frei“ ⛓ Brief aus dem Gefängnis

Hallo da draußen!

Ich sende euch liebe Grüße aus der JVA CB. Es geht mir soweit gut. Ich werde hier insgesamt gut behandelt und meine Spiegelmedikamente sind geklärt. Da schon Nachfragen kamen, ja ich habe eine Toilette mit Klobrille. Ein Gefängnis ist eine riesen Behörde und für jeden Furz braucht es Anträge. Ihr könnt euch das ungefähr so spaßig vorstellen wie eine Steuererklärung. Schon von daher ist Langeweile kein Problem.

Kevin Hecht | Foto: (c) Marlene Charlotte
Kevin Hecht
Foto: (c) Marlene Charlotte

Auch eingesperrt fühle ich mich frei. Bei meinem Hofgang kann ich mit den Füßen durch Gras und ein paar Wildblumen streifen. Ich beobachtete, wie schön sich nach einer Böe die Samen einer Pusteblume im Wind verloren. Ich kann mir der Hand durch Lavendel streifen, seinen Duft in mir aufnehmen und mich von ihm davon tragen lassen. Einen Tag lag ich auf einer Bank, um Wolken und Schwalben zu beobachten, die auf einem Scheinwerfer der Fassade nisten. Gerade als ich „Badewasser“ von Bapsi Tollwut in meinem Kopf hörte, trafen mich die ersten Nieseltropfen.

Heute morgen habe ich im Regen meditiert. Die meisten Tage habe ich viel geschlafen. Auch das ist ein Luxus, praktisch im Schlaf aktivistisch wirksam zu sein. Zeitweise schlägt es in Depression um. Doch ein Tagesplan, Meditation und Sport helfen sehr.

Vielen Dank für die ersten Briefe! Grüße wie aus Italien und Österreich sind nicht nur eine Bestärkung. Sie rufen in mir zusätzlich tolle Erinnerungen wach, von denen ich im Gefängnis zehren kann. Wie meine Wanderung von München nach Venedig.

Bei anderen Briefen kommt mir alles noch unwirklicher vor und ich fühle mich klein in meiner kleinen Zelle. Dass ich die Kraft besitze, im Gefängnis zu sein, ist dutzenden Menschen zu verdanken. So viele Menschen, die sich auch jetzt den Arsch aufreißen um diesen Protest zu ermöglichen.

Danke für die Bestärkung und Wertschätzung. Sie gebühren auch den vielen tollen Menschen außerhalb dieser Mauern.

Mir geht allerdings auch durch den Kopf, dass ich mit meinen Entscheidungen ein Versprechen gebrochen habe.

Bei Trainings war es für mich immer eine große Freude, ‚Das Netz des Lebens‘ anzuleiten.
Aus dieser Verbundenheit ziehe ich auch in Haft viel Bestärkung.

In einem Brief wurde mir geschildert, wie eine Person sich für trans Menschen einsetzt. Der Sinn dieser Arbeit stehe angesichts der Klimakatastrophe in Frage.

Flinta*s die kämpfen, sind Flinta*s die leben! Tin Personen umso mehr!

Ich bin nicht-binär und es ist für mich geradezu eine Freude, in einem Männergefängnis untergebracht zu sein, das von einer Flinta Person geleitet wird.

Gerade kämpfe ich damit, Vollzugsbeamten verständlich zu machen, was Bedarfsmedikamente für Notfälle sind. Dass es nichts bringt, diese am Abend vorbeugend zu nehmen.
Vor allen, dass es absolut kontraproduktiv ist, wenn ich in der Nacht mit einem Justizangestellten debattieren und um einzelne Tabletten feilschen muss.

Die Haftärtztin hat sogar bestätigt, dass ich einige Sachen in meiner Zelle haben darf, die mir helfen und mich beruhigen. Wie einen Pullover! Dennoch wurde mein Antrag abgelehnt. Meine Nagelschere habe ich allerdings in meine Zelle kommentarlos mitbekommen. Auch bei einer Zellendurchsuchung wurde die Schere nicht beanstandet.

Naja, ansonsten hilft es immer, sich mit den Menschen gutzustellen. Doch veganes Essen ist auch immer noch ein Thema.

Selbst wenn ich in der Nacht schweißnass aufwache und kaum weiß wo ich bin, kann ich an mein Fenster treten. Dort die Metallstangen umfassen. Dann werde ich mir bewusst, dass es eine Bestätigung ist, im Gefängnis zu sein. Weil friedlicher ziviler Ungehorsam notwendig ist und wirkt. Weil die deutsche Bundesregierung mit ihrem fossilen Kurs weiter unsere Verfassung bricht.

Darum brauchen wir jetzt einen Gesellschaftsrat um eine lebenswerte Zukunft noch zu ermöglichen.

Bleibt ungehorsam

Kevin

Pressekontakt
Carla Hinrichs
Telefon: +49 3023591611
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