Polizist:innen übergeben offenen Brief an Olaf Scholz

– Spannungsfeld zwischen
Legalität und Legitimität –

Unterstützer:innen der Letzten Generation verlesen die Erklärungen der Unterzeichner:innen (c) Letzte Generation

Berlin, 20.9.2023, 14:25 – Unterstützer:innen der Letzten Generation haben heute am Bundeskanzleramt fünfzig Briefe gleichen Inhalts an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben. Die Briefe wurden von 50 Menschen im Polizeiberuf unterschrieben. 

Darin bitten sie den Bundeskanzler, die Kritik gesellschaftlicher Bewegungen und auch die Sorgen der Polizist:innen um den drohenden Klimakollaps ernst zu nehmen und “der Klimakatastrophe in jeder Hinsicht angemessen zu begegnen”. Unterschrieben haben Menschen mit beruflichem Hintergrund bei der Polizei aus allen Landes- und Bundespolizeien. 

 Sie schreiben in ihrem Brief an Bundeskanzler Scholz:
“Wir stellen fest, dass der Ruf nach Klimaschutz aus allen Bereichen der Gesellschaft immer lauter wird. Kinder und Jugendliche schwänzten freitags für das Klima die Schule, Menschen entscheiden sich gegen das Kinderkriegen, erfahrene Erwachsene kündigen ihre Berufe, junge Menschen brechen ihre Ausbildung ab, um Straßen zu blockieren, Golfplätze umzugraben und Privatjets zu markieren. Der Protest für Klimaschutz nimmt zu.”

Sie erklären:
“Der Protest fordert uns Polizistinnen und Polizisten bereits jetzt. Immense finanzielle und personelle Ressourcen werden beansprucht. Von Berufs wegen sind wir als Polizistinnen und Polizisten auch zukünftig wachsenden gesellschaftlichen Spannungen immer zuerst ausgesetzt. Diese werden mit zunehmender Dynamik und Konsequenzen der Klimakatastrophe weiter steigen – das beunruhigt uns sehr. Für Polizist:innen bedeutet dies eine zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Belastungen für Schultern und Seelen.” [1]

Bevor der Brief übergeben wurde, erklärten einige der Unterzeichner:innen vor dem Kanzleramt, warum sie den Brief unterschrieben haben und berichteten aus ihrem Alltag. Einige der Erklärungen wurden stellvertretend von anderen Personen verlesen, weil die Verfasser:innen berufliche Schwierigkeiten fürchten, wenn sie sich öffentlich erklären.

Hier ein Auszug aus einem dieser Texte: 
“Die Polizeiuniform, die ich heute trage, maskiert gleichzeitig nicht die Sorgen und Ängste, die mich plagen, wenn ich an das Erbe denke, das wir für die kommenden Generationen hinterlassen. Es nagt an mir als Vater und als Mensch. 

Wir rüsten uns für eine Zukunft, die bereits alarmierend real scheint. Die Räumung des Hambacher Forstes, Maßnahmen gegen friedlich Protestierende und Pushbacks an innereuropäischen Grenzen sind für mich Beispiele für die Instrumentalisierung der Polizei im Zusammenhang mit den politischen Versäumnissen beim Klima- und Umweltschutz. Ereignisse wie diese erschüttern mich zutiefst und hinterlassen mich in einem Dilemma. 

Ich fühle mich dazu verpflichtet, jeden einzelnen Menschen und die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu schützen, aber das Ziel polizeilicher Einsätze zugunsten von Großkonzernen und Lobbys steht jeden Tag mehr im Widerspruch zu den Werten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Gleichzeitig wird der notwendige und dringende Einsatz für den Klima- und Umweltschutz blockiert; die Regierung bricht die Verfassung, und diejenigen, die für unsere Verfassung einstehen, werden kriminalisiert und denunziert – und Polizist:innen halten dafür als Handlanger her. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung.”


Chiara Malz, Bundespolizistin und Koordinatorin der Polizeivernetzung der Letzten Generation, erklärt dazu: “Sowohl bei Unterstützer:innen der Letzten Generation als auch bei Polizist:innen handelt es sich grundsätzlich um gerechtigkeitssensible Menschen, die sich für den Erhalt und die Fortentwicklung unserer Demokratie einsetzen. Trotzdem entsteht ein großes Spannungsfeld zwischen der Polizei auf der Seite der Legalität und dem Klimaaktivismus auf der Seite der Legitimität. Die Verantwortung trägt die Bundesregierung. Handelt sie nicht, wird der Graben zwischen Recht und Gerechtigkeit immer größer.”


[1] Den kompletten Brief finden Sie im Anhang und unter folgendem Link: letztegeneration.org/wp-content/uploads/2023/07/2022_07_13_Brief-Olaf-Scholz.pdf


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