Anklagebank bleibt leer

Letzte Generation boykottiert beschleunigte Verfahren

Berlin, 12.02.2024, 7:30 – Ein Grundsatz des Protests der Letzten Generation war und ist stets: Wir stehen mit Namen und Gesicht zu dem, was wir tun, wir stellen uns den juristischen Konsequenzen für unseren Protest. Nächste Woche werden jedoch mehrere Unterstützer:innen der Letzten Generation nicht zu ihrem Gerichtstermin erscheinen – aus gutem Grund. 

2023 richtete das Amtsgericht Tiergarten zwei gesonderte Abteilungen ein, die nur für die Bearbeitung von beschleunigten Verfahren zuständig waren – offenbar selektiv gegen Unterstützer:innen der Letzten Generation. Diese Sondergerichtsbarkeit, die eine faire juristische Auseinandersetzung mit den Protestaktionen nahezu unmöglich macht, fand bereits von Anfang an breite Kritik. [1] [2]

Ende letzten Jahres musste die Berliner Justiz feststellen, dass ihr Versuch, im Schnellverfahren zu verurteilen, gescheitert war. Die Sonderkammern wurden aufgelöst. [3] 

Trotzdem setzt die Berliner Staatsanwaltschaft ihre Praxis beschleunigter Verfahren unbeirrt fort. Die zunehmende Häufigkeit, in der sie diese beantragt, ist alarmierend.

Die Reaktionen der Gerichte sind vielseitig. Eine Richterin lehnt etwa alle beschleunigten Verfahren ab und schreibt zur Begründung, dass “derartige Verfahren wie das vorliegende aufgrund der zumeist streitig und kontrovers geführten Thematik ‘Klimawandel’ und der damit einhergehenden Frage etwaiger Rechtfertigungsgründe nicht für eine einfache und beschleunigt durchzuführende Verhandlung geeignet sind”. Ein anderer Richter wies darauf hin, dass er frühestens 2025 Zeit für solche Verfahren hätte.

Oft werden die Verfahren jedoch als beschleunigte Verfahren akzeptiert und sehr kurzfristig terminiert. Teilweise treffen die Ladungen sogar erst nach dem Gerichtstermin ein. Häufig fehlt eine Anklageschrift, sodass nicht erkennbar ist, welche Vorwürfe erhoben werden.

Für diese Woche sind mindestens 15 beschleunigte Verfahren für Unterstützer:innen der Letzten Generation terminiert.

Den Betroffenen steht ein Raum zu, in dem sie erklären können, wieso sie Regelverstöße bewusst in Kauf genommen haben, um auf die zerstörerische Klimapolitik der Bundesregierung aufmerksam zu machen. Dazu sind Verfahren nicht geeignet, in denen die Ladungen bis zu 24 Stunden vor dem Termin erfolgen dürfen, Beweisanträge einfacher abgelehnt werden dürfen und statt Zeug:innenvernehmungen im Gericht einfach frühere Protokolle verlesen werden.

Ein Großteil der von den beschleunigten Verfahren nächste Woche Betroffenen hat daher beschlossen, dieses Vorgehen nicht hinzunehmen und nächste Woche nicht zum Gerichtstermin zu erscheinen. 

Die Gerichte sollen mit der Frage konfrontiert werden, ob sie wirklich zu Mitteln wie Vorführungshaftbefehlen greifen wollen oder akzeptieren, dass den Betroffenen normale Gerichtsverfahren mit allen prozessualen Möglichkeiten zustehen.


[1] www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/keine-ausnahmegerichte-fuer-die-letzte-generation-972
[2] www.neuerichter.de/details/artikel/article/gesetzliche-richter-gerade-auch-in-vermeintlichen-ausnahmezeiten
[3] www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/01/gericht-abteilung-beschleunigte-verfahren-aufgeloest-amtsgericht.html.