Berlin muss 300.000 € an Letzte-Generations-Aktivist:innen zurückzahlen – Oberverwaltungsgericht bestätigt Rechtswidrigkeit hunderter Gebührenbescheide

Berlin, 13.09.2024, 8:45 – Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin im September 2023 entschieden hatte, dass die Berliner Polizei zu Unrecht Gebühren für Anklebe-Proteste der Letzten Generation erhoben hat, hatte das Land Berlin (vertreten durch die Polizei Berlin) gegen den Beschluss vom 21. September 2023 Beschwerde eingelegt. Nun bestätigte am 10. September 2024 das Oberverwaltungsgericht: Die Beschwerde wird zurückgewiesen, das Erheben tausender Gebührenbescheide für das Lösen von der Fahrbahn war rechtswidrig.

Bereits im Beschluss vom September 2023 wurde argumentiert, dass der Erhebung der Kosten keine geeignete Rechtsgrundlage zugrunde liege. Bis dato hatte die Berliner Polizei nach Angaben der Senatsinnenverwaltung knapp 1300 Gebührenbescheide in Höhe von 241 Euro an Klimaaktivist*innen verschickt. 

Das Gericht befasste sich mit einem Präzedenzfall, der jedoch auf alle weiteren Straßenblockaden der Letzten Generation in Berlin übertragbar ist. Die jeweils 241 Euro, die die Protestierenden pro Straßenblockade zahlen mussten, bei der sie sich festgeklebt hatten und gelöst werden mussten, müssen ihnen nun rückerstattet werden.

Luca Thomas aus der Verwaltungsrechts-AG vom RAZ e.V., die Menschen im Umgang mit Gebührenbescheiden unterstützt, erklärt: “Die Polizei hat tausendfach rechtswidrig Gebühren von protestierenden Bürger:innen verlangt und so ihr Recht auf Versammlungsfreiheit empfindlich eingeschränkt. Es ist kräftezehrend, dass das Grundrecht auf Protest immer wieder von neuem vor Gericht erstritten werden muss. Gerade in der aktuellen Zeit, in der die sich zuspitzende Klimakatastrophe und erstarkender Faschismus unsere Demokratie und ihre Freiräume bedrohen, sind solche Einschränkungen brandgefährlich!”

Auch wenn die Betroffenen gegen die rechtswidrigen Gebührenbescheide Beschwerde eingelegt haben, mussten sie den Betrag von 241 Euro zunächst zahlen, da der Widerspruch keine “aufschiebende Wirkung” hatte. Die vorangegangene Beschwerde ist jedoch die Voraussetzung dafür, nun das Geld rückerstattet zu bekommen.

Der Verein RAZ organisierte die Verwaltungsklage, die nun zum Beschluss des Oberlandesgerichts führte. Denn die Frage, ob das Sich-Festkleben im Falle der Letzten Generation oder auch sog. Lock-Ons in anderen Kontexten als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angesehen werden (sollten), wird regelmäßig vor Gericht verhandelt – Richter:innen urteilen hierzu unterschiedlich. Vor Gericht ist die Verhandlung dieser Frage angemessen – die Pauschalbestrafung für eine Protest- und Versammlungsform durch eine Kostenerhebung von Seiten des Landes Berlins jedoch nicht.

Lilly Schubert, Pressekontakt des RAZ e.V. erläutert: “Die Gebührenbescheide haben dafür gesorgt, dass die Teilnahme an Protesten zur Finanzfrage wurde, komplett unabhängig von richterlichen Entscheidungen und offensichtlich auch ohne jegliche rechtliche Grundlage. Immer wieder tat sich für Menschen die Frage auf, ob sie es sich leisten können, von ihren Grundrechten Gebrauch zu machen. Es ist wichtig und bestärkend, dass diese Praxis nun ein Ende hat.”

Der anonymisierte Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unter folgendem Link zum Download verfügbar: raz-ev.org/ovg-berlin-vom-10-09-2024-polizeikosten-anonymisiert/.
Er ist nun unanfechtbar.

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