Liebe Menschen aus der Widerstandsgruppe Passau, liebe Menschen, die ihr mit uns und unseren Protesten (oder mit unseren Zielen*1) sympathisiert, liebe passiv Interessierte!
Seit dem 01. September sitze ich jetzt in der JVA Stadelheim, in einer zwar unerwartet großen und hellen Zelle, aber doch hinter Gittern. Wie auch zwei weitere Menschen aus Passau, Svenja und Micha. Wir sitzen hier, weil wir davon abgehalten werden sollen, weiterhin Straßenkreuzungen im Raum München zu besetzen, wie wir es in den letzten Tagen gemacht haben. (Das Ziel, so der Gerichtsbeschluss: Durch den Gewahrsam sollen „Risiken für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“, die ein Stillstehen des Verkehrs angeblich mit sich bringt, vermieden werden.*2)
Dass wir diese Protestform als angemessen sehen, um die drohenden „Risiken für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ durch den Kollaps unseres Klimas und damit unserer Gesellschaft auch nur annähernd abzubilden, muss ich euch wahrscheinlich nicht erzählen oder begründen. Das habt ihr in Vorträgen, Mails oder Beiträgen in sozialen Medien schon gehört. Wahrscheinlich teilt ihr unsere Standpunkte.
Jetzt würde ich euch gerne erzählen, dass es von eurer Seite reicht, wenn ihr uns die Daumen drückt, mit Bekannten über uns spricht, uns verteidigt oder gelegentlich bei unseren Treffen dabei seid. Für all das bin ich euch dankbar. Veränderung lebt auch von (passiver) Unterstützung.
Aber vor allem braucht es Menschen, die aktiv für eine Sache einstehen. Die bereit sind, etwas zu riskieren, und es sei erst mal „nur“ eine Geldstrafe. Durch die Fülle an Protestaktionen, die ich schon mitgemacht habe, riskiere ich mittlerweile womöglich eine Haftstrafe ohne Bewährung. Der Gedanke daran, eine längere Zeit in einer Zelle zu sitzen, ist so ungefähr das Gegenteil dessen, was ich mir für mein Leben in meinen Zwanzigern vorgestellt habe. Aber es fühlt sich auch sinnvoll an: Ich stehe ein für das, was ich denke und das nicht nur in Lippenbekenntnissen. Ich bin in einer Gruppe von Menschen, die dasselbe tun. Das ist bisher die beeindruckendste Erfahrung in meinem Leben, vielleicht wird sie das auch bleiben.
Aber das reicht nicht, um die gigantischen Veränderungen zu bewirken, die wir brauchen. Ich erwarte von keinem Menschen, dass er eine Gefängnisstrafe riskiert. Aber ich wünsche mir von euch, von den Menschen, die doch wissen, wie dramatisch die Situation ist, dass ihr euch selbst ehrlich die Fragen stellt, die ich mir vor einem Jahr gestellt habe:
Was kann ich in der Zeit tun, in der wir das schlimmste Leid noch abwenden können? Welchen Beitrag kann ich leisten, um mich dem Wahnsinn in den Weg zu stellen? Bin ich nicht unehrlich zu mir selbst, wenn mir mehr Sorgen um meine Karriere, meine kurzfristige finanzielle Situation und meine gesellschaftliche Position mache, als um die Folgen einer Politik, die bei gleichbleibender Entwicklung dazu führt, dass wir in Zukunft zu wenig Nahrungsmittel haben?
Ich weiß nicht, ob das, was wir hier tun, wirklich genug bewegen wird. Aber ich tue es mit den besten Absichten. Ich möchte etwas versuchen. Denn wir haben viel zu gewinnen. Ein gerechteres Land, eine gerechtere Welt. Eine lebenswerte Zukunft für so viele Menschen wie möglich. Die Konsequenzen unseres Nichthandelns wären untragbar.
Während ich hier sitze und schreibe, scheint die Morgensonne in unsere Zelle, die ich mit zwei anderen Menschen teile. Sie heißen Lukas und Ruben. Wir verbringen den kompletten Tag zusammen, weshalb wir Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen nehmen müssen. Das funktioniert erstaunlich gut: Wir essen zusammen, machen gemeinsam Sport und spielen unendliche Runden Wizard. Vormittags sind unsere Zellen offen und wir sehen die anderen Menschen, die mit uns auf dem Korridor wohnen. Das Leben hier in Stadelheim ist für uns wirklich auszuhalten.
Trotzdem freue ich mich darauf, wieder frei entscheiden zu können, wohin ich gehe, mit wem ich mich umgebe oder was ich esse. Die Zeit hier zu verbringen, schärft mein Bewusstsein dafür, wie zerbrechlich und wertvoll diese Freiheiten sind und dass es sich lohnt, sie zu verteidigen.
Bis bald! Euer Christian.
Pressekontakt
Carla Hinrichs
Telefon: +49 3023591611
E-Mail: [email protected]
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