Ich schreibe diesen Brief aus der JVA Stadelheim mit Blick aus meinem vergitterten Fenster auf die vergitterten Fenster gegenüber. Gestern Abend, am 01.09. gegen 23 Uhr, ich hatte schon geschlafen, wurde ich geweckt, aus der Zelle geholt und der Haftrichterin vorgeführt. Der Grund dafür war, dass ich am Vormittag friedlich dagegen protestiert habe, dass die Bundesregierung jeden Tag das Grundgesetz bricht und uns sehenden Auges in die Klimakatastrophe steuert. Wir haben offen angekündigt, unseren Protest in München bis mindestens zum 01.10. fortzusetzen. Die Haftrichterin ordnete Präventivgewahrsam bis zum 10.09. an, um uns an der Teilnahme dieser Proteste zu hindern. Ich habe gesagt, dass ich, sobald ich wieder frei bin, wieder an den Protesten teilnehmen werde.
Warum ist mein Protest am 11.09. legitim, aber heute nicht? Die Richterin konnte mir auf diese Frage keine Antwort geben. In Bayern dürfen Richter*innen bis zu 31 Tage Präventivgewahrsam anordnen. Meine Richterin hat das nicht gemacht. Aber wenn sie es nicht richtig findet, mich für meine Proteste am 25. oder 30.09. wegzusperren, warum ist es dann richtig, mich bis zum 10. einzusperren? Ich finde ihren Beschluss feige. Entweder sie findet es nicht in Ordnung, uns wegzusperren, um uns an unserem Protest zu hindern. Dann sind 10 Tage Präventivgewahrsam, 10 Tage Knast, einfach 10 Tage zu viel. Oder sie hält Präventivgewahrsam für ein geeignetes Mittel. Dann hätte sie aus juristischer Sicht 31 Tage anordnen müssen. Das hat sie nicht getan, weil sie das scheinbar nicht richtig findet – Gott sei Dank. Präventivgewahrsam wird aber nicht richtiger, wenn er kürzer angeordnet wird. Sie hatten nicht den Mut, die Entscheidung zu treffen, sie haben sich davor gedrückt.
In 10 Tagen werde ich wieder protestieren und dann wird ein*e andere Haftrichter*in diese Entscheidung treffen müssen, ob es nun richtig ist, uns wegzusperren um unseren Protest zu verhindern. Mein Protest ist legitim, vor allem aber notwendig. Ich werde ihn weiterführen, ich werde weiter protestieren, mit allen mir möglichen gewaltfreien Mitteln, gegen die Bundesregierung, die das Grundgesetz bricht und unsere Lebensgrundlagen zerstört. Der Polizist, der den Antrag auf Gewahrsam gestellt hat, hat mir vorgeworfen, dass dies hier politisch sei. Natürlich ist es politisch, wenn Politiker im Wahlkampf fordern, dass protestierende Bürger*innen weggesperrt werden. Das Gericht muss aber wahlkampfunabhängig entscheiden. „Mal eben so“ Menschen für 11 Tage wegzusperren, um sich vor einer Entscheidung zu drücken, auch wenn ich nachvollziehen kann, dass der politische Druck hoch ist. Und es ist ungerecht, denn für diese Feigheit muss ich jetzt 11 Tage aus vergitterten Fenstern schauen in eine Zelle, deren Tür 22 h am Tag fest verschlossen ist und nicht einmal eine Türklinke hat.
Ich werde weiter protestieren. Vielleicht hat der*die nächste Haftrichter*in mehr Mut.
Love and Rage
Regina Stephan
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Carla Hinrichs
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