Ich liege auf meinem Haftbett und genieße die Stille. Das Buch, dass ich gerade lese, passt perfekt dazu. „Silence in the Age of Noise“. Denn eigentlich ist es ziemlich laut.
Die Lüftung dröhnt, verschiedene Radios scheinen sich gegenseitig anzuplärren und dazu wird gegrölt, in den unterschiedlichsten Sprachen geschrien und geflucht.
So übe ich mich weiter darin, auf die Stille zwischen und hinter den Geräuschen zu achten.
Das Buch hat mich bereits auf den ersten Seiten in seinen Bann gezogen. Erling Kagge schreibt, dass Hinterfragen eines der mächtigsten Kräfte ist, mit denen wir geboren werden. Gleichzeitig ist es eine unserer feinsten Eigenschaften.
✉️ Schreibt Kevin einen Brief
— Letzte Generation (@AufstandLastGen) August 16, 2023
Kevin ist gerade in Cottbus für 30 Tage in Haft. Er hat gegen die Zerstörung aller Lebensgrundlagen friedlichen Widerstand geleistet.
🖋️ Schreibe einen Brief an:
[email protected]
Dein Brief wird ausgedruckt & am Gefängnis abgegeben! pic.twitter.com/OXi1867ycT
Einen Abschnitt weiter ist es gänzlich um mich geschehen: „It is not something that I choose, but rather I wounder because I simply cannot let it be.“
Eine wohlige Gefühlswoge überrollt mich.
Sie lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Ja!!!
Das ist kein „Ja“, um zu rechtfertigen, warum ich den fossilen und lebensfeindlichen Kurs unserer
Regierung nicht länger hingenommen habe. Warum ich friedlichen, zivilen Ungehorsam geleistet habe und darum gerade in Haft sitze.
Dieses „Ja“ geht viel tiefer und ist … elementar.
Protest und ziviler Ungehorsam kommen ganz zuletzt.
Darunter liegen Zweifeln, Hinterfragen, auch Ungläubigkeit und Verzweiflung.
All das entspringt bei mir erst dem Staunen, der Faszination über die Wunder dieser Welt. – Des Planeten Erde. Unserer gemeinsamen Heimat.
Das Staunen über die Wunder der Natur, die alle Sinne verzaubert.
Wenn ich einen Schluck Wasser aus dem Wasserhahn meiner Nasszelle trinke, so ist dieses Wasser wahrscheinlich dutzende Male im Laufe der Geschichte um die ganze Welt gereist. Denn alle
Ozeane des Planeten sind durch ein gigantisches Förderband miteinander verbunden und stehen im ständigem Austausch. Als ob ich mir ein heißes Bad einlasse.
Bevor ich mit dem Fuß in das entspannte Nass eintauche, fahre ich mit der Hand durch das Wasser und in der Wanne herum. Denn am Kopfende ist das Wasser schon wieder abgekühlt und am Fußende viel zu heiß.
So sind auch unsere Ozeane in ständiger Bewegung. Nur steht dieser Strom niemals still.
Auf den ersten Blicken wirkt er wie ein Perpetuum Mobile. Ein Wunderwerk der Natur, das bei genauerer Betrachtung, unter anderem durch Temperatur, Druck und Sog in Bewegung gehalten wird. So hat das Wasser in meiner roten Knasttasse aus Plastik vielleicht einige Zeit als Schnee auf dem Kilimandscharo verbracht, als Monsun Indien kennengelernt oder veränderte als Hurrikan die Oberfläche Nordamerikas.
Bevor es irgendwann zur Ruhe kam und in den fossilen Wasserspeicher Einzug hielt, der das Trinkwassersystem speist, durch das Wasser in meine Tasse gelangt ist.
Faszinierend!
Der Golfstrom ist wohl der bekannteste Teil des weltumspannenden Förderbandes der Ozeane.
Nachdem Europa mit der Wärme der Karibik versorgt wurde, schlängelt sich der Wasserstrom weiter Richtung Norden. Dort findet eines der verblüffendsten Wunder dieser Erde statt.
Wasserfälle im offenen Ozean. Sinkschlote.
Das warme Wasser an der Oberfläche kühlt auf Höhe der Arktis und Grönland ab.
Ja, soweit, so offensichtlich.
Doch was heißt das genau? Das Wasser wird dichter. Also schwerer.
Weil das Wasser dichter wird, steigt zudem der Salzgehalt. Das Oberflächenwasser ist dann so viel schwerer, als die darunterliegenden Wasserschichten, sodass es in die Tiefe fällt.
Von jetzt an reist es als Tiefenströmung weiter.
Wenn das kein Grund zum Staunen ist.
Dieses Wunderwerk der Natur bzw. Physik, was ja ursprünglich dasselbe war, als Wissenschaften in Physik und Metaphysik unterschieden waren…
Wo war ich gleich? Ah, als das Wunder der Sinkschlote, genau.
Die Arktis und Grönland schmelzen.
Dadurch verringert sich nicht nur der Albedo-Effekt.
Weil diese gigantischen Eisflächen einen Großteil der eintreffenden Sonnenenergie wieder zurück spiegeln. Während der Großteil des Lichts auf dem Wasser von kurz-, in langwellig umwandelt und es so noch schneller erwärmt.
Das tauende Eis erhöht nicht nur den Meeresspiegel, mit allen Folgen die daraus entstehen.
Die Eisschilde dieser Erde sind gigantische Süßwasserspeicher. So verdünnt das geschmolzene Süßwasser, vermischt sich mit dem schwer gewordenem Wasserstrom aus Europa und behindert so die Sinkschlote.
Kommt die interkontinentale Zirkulation, also das weltumspannende Förderband, welches sich durch die Ozeane zieht, zum erliegen, könnte Europa eine neue Eiszeit erwarten.
Wie praktisch immer liegt auch in der Tragik Faszination. So wurde herausgefunden, dass die Arktis nicht einfach ein massiver Block ist. Sie besteht aus Festlandeis und Inlandeis. Fast wie Crema Catalana. Außen hart und innen weich und süß.
Auch ist die Arktis nicht einfach eine ebene Fläche. Sie ist durchzogen von Erhebungen, die Gebirgen aus Eis gleichen können und Senken. So fließt Schmelzwasser, Flüssen gleich, den Senken entgegen und sammelt sich dort, zum Teil wie kleine Seen.
Auch hier stürzt das Wasser mit unter in Löcher im Eis.
Wissenschaftler:innen sind ursprünglich davon ausgegangen, dass Schmelzwasser in der Tiefe gefrieren würde. Doch es gräbt sich unterirdisch weiter.
Bis ganze Eisblöcke losgelöst ins Meer rutschen.
Das sind nur einige Beispiele, warum die Arktis weit schneller schmilzt, als ursprünglich gedacht.
Mit mehr Wissen ändern sich die Berechnungen und Prognosen, welche im IPCC-Bericht stehen.
Noch immer werden neue Entdeckungen gemacht. So wurde letztes Jahr die Existenz von „schwarzem Wasser“ bestätigt.
Das ist Wasser, welches im Eis eingeschlossen ist. (z.B. auch Radarmessungen erscheint es dann schwarz-dunkel.)
Darum finden sich in den IPCC-Berichten auch Wahrscheinlichkeiten und Prognosen werden korrigiert.
Die Gründe zur Besorgnis (RFCs) steigen.
Das größte Lebewesen des Planeten ist kaum noch zu retten. Nein, nicht Elefanten oder Riesenkalmare. Das Great Barrier Reef. Es bleicht aus und stirbt ab. In verzweifelten Versuchen wird sogar mit Löschbooten versucht, das Weltnaturerbe zu kühlen.
Da fände ich es sinnvoller, direkt an der Küste anzufangen, statt fossil betriebene Boote zu nutzen.
Ich stelle mir vor, wie über wellenbrechende Bahnen Solarfanele thronen.
Diese könnten Pumpen betreiben und Meerwasser in die Luft sprühen.
Es wäre zumindest ein deutliches Zeichen, der Klimakatastrophe für Strandbesucher:innen.
Ob sich das überhaupt energietechnisch rechnet, kann ich gerade schlecht überprüfen.
Den Korallen würde es in jedem Fall wenig helfen.
Korallen bleichen bei steigender Temperatur aus wie ein Lopster im Kochtopf.
Doch gravierender ist, dass Korallen, Muscheln und vieles mehr aus Kalk bestehen. Kalk ist einer der Grundbausteine dieses Planeten. Auch Berge und Gebirge waren einst Muscheln im Meer, bevor sie die Landschaft prägten.
Ja Kalk, diese lästige Verhärtung in Küche und Bad. Doch ein Spritzer Zitronensäure reicht und der Wasserkocher glänzt wieder. Er hat sich einfach aufgelöst.
Was das mit dem Great Barrier Reef und den Ozeanen zu tun hat?
Die Ozeane sind der größte CO²-Speicher unseres Planeten. Doch das Maß ist voll. Über die Jahre haben sie so viel CO² aufgenommen, dass sie jetzt sauer werden und kippen. Der pH-Wert sinkt.
Korallen, Muscheln und anderen Krustentieren wird das Wachstum erschwert und letztlich das Überleben. Bereits jetzt gibt es Todeszonen in den Ozeanen. Ein Großteil der Menschheit deckt seinen Nahrungsbedarf aus Meeresfrüchten und Fisch.
Doch lieber noch einmal zurück zum Staunen.
Der globale Ozean bedeckt 71% der Erdoberfläche.
Dennoch wissen wir relativ wenig. Die Tiefsee ist weniger erforscht, als das Universum.
Es ist mehr über fremde Galaxien bekannt, als über die Tiefen unseres Planeten.
Dabei könnte sich in der Tiefsee der Ursprung von Leben auf der Erde befinden. An den tiefsten, dunkelsten und lebensfeindlichsten Stellen des Planeten, gibt es Orte an denen sich das Leben tummelt. An einigen Stellen ist der Meeresboden aufgebrochen. Magma lässt heiße Quellen entstehen. Hier tummeln sich Bakterien, wie einst in der Ursuppe.
Womöglich lässt sich hier noch heute ein Übergang zu einem mehrzelligen Organismus beobachten.
Der Mensch hat diesen Planeten geprägt, wie kein anderes Wesen. Auch keine natürliche Kraft hat das Antlitz der Erde so massiv verändert wie wir.
Deshalb sprechen einige Wissenschaftler:innen auch von einem eigenen Zeitalter: dem Anthropozän.
Doch liegt es an uns, die Geschichte weiterzuschreiben.
Wieder muss ich an Juli Zeh(lis) Wächterhäuser aus Corpus Delicti denken.
Ausrangierte Ölplattformen könnten Solarparks beheimaten. Die ungenutzten Bohrtürme würden, als Mahnmal der Geschichte, die Spannweite der Paneele verankern und erweitern.
Zusammen mit Strömungskraftwerken könnte eine Siedlung versorgt werden.
Ein modernes Atlantis. Ich finde das reizvoller als Venedig zu Atlantis werden zu lassen.
Letztes Jahr war ich im Oktober im Paul-Hobe-Haus bei einer Konferenz mit dem Thema Umweltkriminalität.
Der treffendste Satz kam von einer Vertreter:in des WWF und gilt ebenso für die Klimakatastrophe: „Es scheitert nicht an fehlenden Lösungen, sondern am politischen Willen diese Umzusetzen.“
Darum lasst uns gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft einstehen.
Sie einfordern. Schreiend, sitzend, klebend… mit allen
Kevin Hecht (August 2023 aus der JVA Cottbus)
Pressekontakt
Carla Hinrichs
Telefon: +49 3023591611
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