Heute feiern wir 75 Jahre Grundgesetz. Die Verantwortlichen in der Politik haben alle einen Eid auf die Verfassung geschworen, auch OB Kornblum. Grundgesetz Artikel 20a verpflichtet die Regierung zu umfassender Verantwortung: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“. Doch die Regierung verweigert sich ihrer verfassungsgemäßen Pflicht, die Lebensgrundlagen zu schützen:
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2021 festgestellt, dass das Klimaschutzgesetz der Regierung bei weitem nicht ausreicht, um der von der Verfassung gebotenen Verpflichtung nachzukommen, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen.
Das unzureichende Klimaschutzgesetz wurde allerdings nicht nachgebessert – im Gegenteil, es wurde im Sommer 2023 noch weiter ausgehöhlt und die im Juli 2023 vorzulegenden Sofortprogramme Verkehr und Gebäude wurden schlicht und einfach nicht erstellt.
Angesichts dieser dramatischen Situation haben Klimaschützer:innen der Letzten Generation aus Braunschweig OB Kornblum um Unterstützung gebeten, analog zu OB Onay aus Hannover. OB Onay betonte in seinem Schreiben an die Bundesregierung, dass die Kommunen beim Klimaschutz dringend auf Unterstützung aus der Bundespolitik angewiesen sind.
Doch OB Kornblum ignorierte das Gesprächsangebot und redete vor dem Rat von vermeintlichen Straftätern, obwohl es in Braunschweig gar keine Verurteilungen gibt und bundesweit sogar eine Reihe von Freisprüchen für protestierende Klimaschützer:innen. Stattdessen reagierte seine Verwaltung mit einer strafbewehrten Allgemeinverfügung, die das Versammlungsrecht stark einschränkt.
Dazu Dennis Köhler (28, Student): „Es hilft ja keinem, uns Menschen, die sich mit großem Engagement für das Überleben aller einsetzen, zu ignorieren und zu kriminalisieren. Solange die Notlage und das Versagen der Regierung so krass sind, werden wir und immer mehr Menschen weiter protestieren. Deswegen sitzen wir auch heute hier!“
Olaf Scholz hat sich als Klimakanzler feiern lassen, Klimaschutz sollte Priorität haben. Der Klimaforscher und langjährige Regierungsberater Stefan Rahmstorf kritisiert, dass die 1,5 Grad-Marke bei der Erderwärmung überschritten werde, sei nicht mehr aufzuhalten. Es fehle bei den Regierungen der politische Wille. Die wissenschaftlich bewiesene Dringlichkeit werde ausgeblendet. Rahmstorf: „ich sehe nicht, dass Scholz das als Priorität behandelt“ und ergänzt: „ohne Druck auch aus der Gesellschaft hört die Politik eben viel zu sehr auf Industrielobbyisten. (…) Und es ist sogar so, dass ich den Eindruck aus Gesprächen habe, dass selbst viele Abgeordnete nicht einmal die Zusammenfassung für Entscheidungsträger der Berichte des Weltklimarates gelesen haben, sondern sich nur aus den Medien informieren.“
Die Folgen des mangelnden Klimaschutzes sind unübersehbar: Der Juli war weltweit der heißeste je gemessene Monat. Waldbrände, Lebensmittel- und Wasserknappheit, Dürren und Hitzephasen mit über 50 Grad Celsius sind mittlerweile Realität – mit tausenden Hitzetoten pro Jahr. Die Klimakrise eskaliert.
Edmund Schultz (59, Projektmanager) betont: „Die Klimakrise ist nicht einfach nur dringend und ernst. Sie ist existenzbedrohend.“ Er ergänzt: „Wenn die Welt in größter Gefahr ist, müssen wir gegen die weitere Zerstörung der Lebensgrundlagen protestieren – mehr als je zuvor. Das ist eine Frage des Gewissens.“
Sonja Manderbach (Kirchenmusikerin, 46, aus Oldenburg) folgt ihrem Gewissen. Sie ist sich sicher, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen will: „Wenn ich die Wahl hab zwischen entweder Applaus für mich, ohne effektiv etwas an der kollektiven Wirklichkeit zu ändern, oder der Chance, einen effektiven Beitrag zur Rettung der Welt zu bringen, ohne dafür Applaus zu bekommen – welche Wahl treffe ich dann?“
Eines ist unstrittig: Die Proteste der Letzten Generation sind unignorierbar. Sie konfrontieren mit der absoluten Dringlichkeit der Klimakrise und wecken unangenehme Gefühle wie Schuld und Scham. Aber die Folgen der Klimakrise sind noch viel unangenehmer.
Die Proteste der Letzten Generation sind eine öffentliche Ermutigung: das Schlimmste lässt sich noch verhindern.
Lilli Gómez (23, Studentin der Sozialarbeit) erklärt: „Die Pandemie hat Millionen Menschenleben gekostet und die ganze Welt in den Ausnahmezustand versetzt. Doch eine sich immer weiter verschärfende Klimakrise wird eine ganz andere Größenordnung annehmen. Wir als „Letzte Generation vor den Kipppunkten“ sind der Überlebenswille der Bevölkerung. Unsere Proteste laden dazu ein, nicht in Fatalismus und Untätigkeit zu verharren.“
Immer mehr Menschen solidarisieren sich mit der Letzten Generation und ihren Forderungen und protestieren gegen den Verfassungsbruch der Regierung – darunter sind viele Menschen, die einen Eid auf die Verfassung abgelegt haben.
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Carla Hinrichs
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